„Eine Frau werden – Ich spürte, wie mein Fleisch, meine Geschlechtsteile, fortgeschnitten wurden. Ich hörte den Klang der stumpfen Klinge, die durch meine Haut fuhr. Wenn ich heute daran zurückdenke, erscheint es mir schlichtweg unfassbar, dass mir dies widerfahren ist, und ich habe das Gefühl, als würde ich von jemand anderem sprechen. Es gibt keine Worte, die den Schmerz beschreiben könnten. Es ist, als ob dir jemand ein Stück Fleisch aus dem Oberschenkel reißt oder dir den Arm abschneidet, nur dass es sich dabei um die empfindlichsten Teile deines Körpers handelt.“ [1] (Waris Dirie)
Die Weltgesundheitsorganisation schätzt die Zahl der Mädchen und Frauen, die weibliche Genitalverstümmelung erlitten haben und nun mit den Folgen dieser grausamen Prozedur leben müssen, auf 100 bis 140 Millionen weltweit. [2] Im Folgenden sollen die Länder, in denen weibliche Genitalverstümmelung praktiziert wird, genannt werden. Auch sollen die kulturellen, religiösen und sozialen Gründe für weibliche Beschneidung angeführt werden und die gesundheitlichen Folgen dieser Prozedur und die Versuche, die Durchführung von FGM zu unterbinden, beschrieben werden.
Im deutschsprachigen Raum sind die Bezeichnungen weibliche Genitalverstümmelung, genitale Verstümmelung und Verstümmelung weiblicher Genitalien gebräuchlich. Auf internationaler Ebene hat sich der englische Begriff „Female Genital Mutilation“ beziehungsweise FGM etabliert. Darunter versteht man „alle Praktiken, bei denen die äußeren weiblichen Genitalien teilweise oder vollständig entfernt werden oder auf andere Weise verletzt werden.“ [2] Diese Eingriffe sind aus medizinischer und therapeutischer Sicht auf keine Weise zu rechtfertigen und zu begründen. [2]
Weibliche Genitalverstümmelung wird auf der ganzen Welt praktiziert, doch in Afrika und Asien sind die meisten Fälle von FGM nachgewiesen. Hauptverbreitungsgebiete sind 28 Staaten im westlichen und nördlichen Afrika. In Afrika werden ungefähr drei Millionen Mädchen jährlich von der Gefahr, beschnitten zu werden, bedroht. Die Durchführung von genitaler Verstümmelung konzentriert sich in horizontaler Richtung auf das Gebiet von Senegal in Westafrika bis Äthiopien in Ostafrika und in vertikaler Richtung auf das Gebiet von Ägypten in Nordafrika bis nach Tansania im Süden Afrikas. Ägypten weist die meisten Fälle von weiblicher Genitalverstümmelung auf, gefolgt von den Ländern Sudan, Äthiopien und Mali. [3] [4] [5]
Als Folge der zunehmenden Immigration gibt es inzwischen auch Fälle von FGM in Europa, Australien und den USA. Einige afrikanische und asiatische Einwanderer, die sehr streng an ihren Traditionen festhalten, schicken ihre Töchter zurück in ihre Heimatländer, um sie dort beschneiden zu lassen. [4]
Female Genital Mutilation umfasst verschiedene Eingriffe, die hauptsächlich an jungen Mädchen im frühkindlichen oder pubertären Alter durchgeführt werden, gelegentlich aber auch erst im Erwachsenenalter. Das Ausmaß der körperlichen Beeinträchtigung der Eingriffe hängt davon ab, welche Bereiche der weiblichen Genitalien entfernt werden und wie groß dieser Bereich ist. Dieses Ausmaß der Beeinträchtigung wird als Maßstab für die Einteilung von FGM in verschieden Formen gesehen. Die Weltgesundheitsorganisation unterscheidet vier verschieden Typen von weiblicher Genitalverstümmelung. Die folgende Abbildung zeigt die verschiedenen Formen und veranschaulicht, inwieweit sich diese vom unbeschnittenen weiblichen Genitale unterscheiden. [2] [4]
A: Normale Anatomie der äußeren weiblichen Genitalien.
B: Typ I: Klitoridektomie: „partielle oder gänzliche Entfernung der Klitoris und seltener auch der Klitorisvorhaut.“ [2] [6] [7]
C: Typ II: Exzision: „partielle oder gänzliche Entfernung der Klitoris und der kleinen Schamlippen; eventuell auch Entfernen der großen Schamlippen.“ [2] [6] [7]
D: Typ III: Infibulation (pharaonische Beschneidung): „Verengung der Vaginalöffnung mit Bildung eines deckenden Verschlusses, indem die inneren und/oder die äußeren Schamlippen beschnitten und zusammengefügt werden, mit oder ohne Entfernung des äußerlich sichtbaren Teils der Klitoris. Diese Form von weiblicher Genitalverstümmelung impliziert die Entfernung großer Bereiche des äußerlichen weiblichen Genitale. Die kleinen Schamlippen und die inneren Bereiche der großen Schamlippen werden vollständig entfernt. Die äußeren Bereiche der großen Schamlippen werden dann unter Verwendung von Dornen und Fäden zusammengenäht.“ [2] [6] [7]
Häufig werden den Mädchen nach der
pharaonischen Beschneidung für zwei bis sechs Wochen die Beine
zusammengebunden, um sie an Bewegungen zu hindern und die Heilung der
beiden Seiten der Vulva zu ermöglichen. Die pharaonische
Beschneidung
hinterlässt nur eine winzige Öffnung am unteren
Bereich der Vulva, die das
Austreten von Urin und Monatsblutungen ermöglichen soll.
Für Frauen, die
auf diese Weise beschnitten wurden, treten bei der Geburt von Kindern
große
Schwierigkeiten und Risiken auf. Die Öffnung ist zu klein, um
eine Geburt zu
ermöglichen, was eine Vergrößerung der
Öffnung nötig macht. Nach der Geburt werden die
großen
Schamlippen oftmals erneut zusammengenäht und die Beine der
Frau wieder für
längere Zeit zusammengebunden, um die Wunde heilen zu lassen.
Falls die Öffnung vor der Geburt nicht
vergrößert wurde, besteht ein
hohes Risiko für das Zerreisen der beschnittenen und
vernähten Bereiche und auch für
Kindstod. Infibulation ist die gravierendste und
folgenschwerste Form von weiblicher Genitalverstümmelung.
10 % der Beschneidungen in Afrika sind Infibulationen. Für
Frauen, die die
pharaonische Beschneidung erlitten haben, besteht eine
größere Gefahr von
psychischen und physischen Komplikationen als bei Frauen, die eine von
den weniger gravierenden
Formen von FGM erlitten haben.
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Typ IV: Weitere Formen: Zu dieser Kategorie werden „alle Praktiken gezählt, die nicht einer der anderen drei Typen zugeordnet werden können wie beispielsweise Einstechen, Durchbohren, Einschneiden, Abschaben und Kauterisation (Verletzungen durch Hitze oder Ätzmittel).“ [2] [6] Typ 4 wird in der Regel von isolierten Volksgruppen praktiziert oder auch in Verbindung mit einer der anderen Formen von FGM. [2] [4] [6]
Die Gründe für Beschneidungsrituale sind von kultureller, religiöser und sozialer Natur.
In vielen Gesellschaften wird Female Genital Mutilation als eine tief in der kulturellen Tradition verwurzelte Praktik betrachtet. Diese Annahme wird häufig als Argument für das Bestehen und die kontinuierliche Durchführung von weiblicher Genitalverstümmelung angeführt. Obwohl Wissenschaftler und Ärzte die medizinischen Rechtfertigungen, die von den an den kulturellen Tradition festhaltenden Befürwortern von FGM dargebracht werden, widerlegt haben, halten einige afrikanische Gesellschaften an dem Glauben fest, dass weibliche Genitalverstümmelung die Reinheit schütze, da sie Teile des weiblichen Genitales entfernt, die Sekrete absondern. In Wirklichkeit aber spielen diese vaginalen Sekrete eine entscheidende Rolle in der Bewahrung der weiblichen Gesundheit. Einige Bambara und Dogon glauben, dass Babys sterben, falls sie während der Geburt die Klitoris der Mutter berühren. In manchen Gebieten Afrikas ist der Glaube vertreten, dass neugeborene Kinder Elemente beider Geschlechter besitzen. Die Vorhaut des Penis wird als das weibliche Element im männlichen Körper betrachtet und die Klitoris wird für das männliche Element im weiblichen Körper gehalten. Beim Erreichen der Pubertät werden diese Elemente entfernt, um die Differenzierung der Geschlechter eindeutiger zu machen und die geschlechtlichen Unterschiede hervorzuheben. [8] Weibliche Genitalverstümmelung wird mit kulturellen Idealen von Weiblichkeit und Sittsamkeit assoziiert, was die Vorstellung einschließt, dass Mädchen „rein“ und „schön“ sind, nachdem die Bereiche des Körpers entfernt wurden, die als „männlich“ und „unrein“ betrachtet werden. [2]Weibliche Genitalverstümmelung wird auch von sozialem Druck provoziert: In vielen traditionellen afrikanischen Stämmen werden stets die Vorschriften befolgt, die andere Stammesmitglieder festgelegt haben und von diesen Vorschriften und Traditionen hat kein Stammesmitglied abzuweichen. Beispielsweise wird FGM häufig für einen Eingriff gehalten, der notwendig ist, um ein Mädchen richtig großzuziehen und auf ihr Erwachsensein und ihre Heirat vorzubereiten. Da weibliche Genitalverstümmelung als eine Prozedur betrachtet wird, die richtiges sexuelles Verhalten wie voreheliche Jungfräulichkeit und eheliche Treue bewirkt, werden Frauen, die nicht beschnitten sind, als unrein betrachtet, was sie einer Ehe unwürdig macht. Es besteht der Glaube, dass FGM die Lust von Frauen reduziert und sie daher dabei unterstützt, „illegalem“ sexuellem Verhalten wie vorehelichem Sex und Masturbation zu widerstehen. Aufgrund der verengten vaginalen Öffnung werden beschnittenen Frauen körperlich an vorehelichem Sex gehindert. Sie sind folglich solange nicht zu Geschlechtsverkehr fähig bis die Verengung wieder geöffnet wird, was häufig auf grausame Weise von den Ehemännern in der Hochzeitsnacht durchgeführt wird. [2]
Obwohl keinerlei religiöse Schriften weibliche Genitalverstümmelung beschreiben, vertreten viele Befürworter von FGM die Meinung, dass Beschneidungen aus religiöser Sicht unterstützt werden. Bei der Frage, ob FGM auch in Zukunft durchgeführt wird, spielt die Haltung regionaler Macht- und Autoritätspersonen wie gesellschaftlicher und religiöser Oberhäupter bezüglich Beschneidungsritualen eine entscheidende Rolle. [2] [9]Female Genital Mutilation ist aus gesundheitlicher
und
therapeutischer Sicht nicht von Nutzen und es
schadet und verletzt
Mädchen und Frauen auf vielfältige Weise.
Weibliche
Genitalverstümmelung zerstört und entfernt gesunde
und normale Bereiche des weiblichen Genitales und
hindert die natürlichen Funktionen des weiblichen
Körpers. Da FGM offiziell verboten
wurde, werden die Beschneidungsrituale nun weitgehend heimlich im
Untergrund praktiziert.
Infolgedessen wird der Eingriff unter unhygienischen Umständen
und von Personen, die über keine medizinischen Kenntnisse
verfügen, und
weder Anästhesie und Sterilisation noch richtige medizinische
Instrumente verwenden,
durchgeführt. Es können kurzfristige Komplikationen
wie heftige Schmerzen,
Schock-zustände, starke Blutungen und Probleme beim Urinieren
auftreten. Da die
verwendeten medizinischen Instrumente nicht steril sind, kann es zu
Infektionen wie
Tetanus und Sepsis kommen. Als langfristige Folgen von FGM werden
Harnwegsinfektionen, Zysten, Unfruchtbarkeit, mögliche
Komplikationen bei der
Geburt von Kindern und Todesfälle bei Neugeborenen
beschrieben.
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Da die vernähten großen Schamlippen
für den ersten
Geschlechtsverkehr wieder getrennt
werden müssen, ist dieser erste Sexualverkehr für
beschnittene Frauen oftmals sehr
schmerzhaft. Dieser zweite Eingriff, der manchmal vom
Geschlechtspartner mit
einem Messer durchgeführt wird, kann weitere Komplikationen
verursachen. Neueste
Untersuchungen haben ergeben, dass weibliche
Genitalverstümmelung das Risiko
von HIV erhöhen
kann. Ursachen hierfür sind die unhygienische
Durchführung
von FGM (dasselbe Instrument wird ohne Sterilisation für 15
– 20 Beschneidungen
verwendet), Bluttransfusionen, die als Folge von Blutverlust beim
Eingriff
verabreicht werden müssen, und die Anfälligkeit
für Infektionen. Diese
gesundheitlichen Folgen von weiblicher Genitalverstümmelung
sind anerkannte Risikofaktoren für HIV .
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Obwohl weibliche Genitalverstümmelung gesetzlich verboten wurde, ist sie noch immer tief in den kulturellen und religiösen Traditionen vieler Gesellschaften und kulturellen Volksgruppen verwurzelt. Aber es gibt auch Fälle, in denen die Versuche, die Durchführung von FGM zu unterbinden, erfolgreich waren. Beispielsweise haben seit 1997 4203 Gemeinden in Senegal, 364 in Guinea, 23 in Burkina Faso, 24 in Gambia und 14 in Somalia freiwillig die Durchführung von Female Genital Mutilation beendet. Laut UNICEF könnte weibliche Genitalverstümmelung in Senegal bis 2015 gänzlich abgeschafft werden. Der Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen (UNFPA) erklärte den 6. Februar zum internationalen Tag gegen Female Genital Mutilation und setzte fest, dass weibliche Genitalverstümmelung gegen die Grundrechte von Mädchen und Frauen verstößt und von keiner Religion verlangt wird (The UNFPA has stated that “[the] practice violates the basic rights of women and girls, [...]" and "[...] female genital mutilation or cutting is not required by any religion."). Ein weiterer Fortschritt ist, dass die physischen Folgen von FGM inzwischen teilweise durch einen chirurgischen Eingriff rückgängig gemacht werden können, sodass die Betroffenen Empfindung in den Genitalien wiedererlangen. Clitorsid, eine nicht auf Profit ausgerichtete, internationale Organisation, baut gerade ein Krankenhaus in Burkina Faso in Westafrika, in dem Frauen, die FGM erlitten haben, diesen Eingriff kostenlos erhalten können. [4] [10] [11]
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass viele erfolgreiche Fortschritte im Kampf gegen weibliche Genitalverstümmelung erzielt wurden und dass einige Versuche, die Durchführung von FGM zu unterbinden, geglückt sind. Doch gibt es immer noch zahlreiche Mädchen und Frauen jährlich, die diesen grausamen Eingriff erleiden und fortan mit den psychischen und physischen Folgen zu kämpfen haben. Aus diesem Grund ist es nötig, sich für das endgültige und internationale Verbot von weiblicher Genitalverstümmelung zu engagieren. Bildung ist der vielversprechendste und wichtigste Weg, um zu diesem Ziel zu gelangen. Auch ist es notwendig, die Überzeugung von der reinigenden Wirkung von FGM, die in Gebieten, in denen Beschneidungsrituale praktiziert werden, vorherrscht, zu beseitigen, sodass der Aberglaube, dass unbeschnittene Frauen unrein seien, aus der Welt geschafft wird. Notwendigkeit besteht ebenfalls in der Verbesserung und Emanzipation der gesellschaftlichen Rolle der Frau , damit Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau erreicht werden kann.Um weitere Informationen zum Thema weibliche Genitalverstümmelung zu erhalten, bieten sich die folgenden Videos an:
http://www.youtube.com/watch?v=qDJyZIPvExY (Documentation on FGM / Dokumentation zum Thema FGM)
http://www.youtube.com/watch?v=1fUlsMafFjM&feature=related (The terror of FGM / Der Terror von FGM))
http://www.youtube.com/watch?v=LQOuQj923fM&feature=player_embedded (Terre des Femmes: Stoppt weibliche Genitalverstümmelung!)
Hannah Krafft
Quellen: